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Sheila Furlan - Übergepäck

2021 bestickt, genäht, transparente Seide, Nähgarn, Draht, Steine 37 x 60 x 23cm

Ein Koffer, genäht aus Seidenstoff, transparent, um sichtbar zu machen, was man mit sich „herumschleppt“ steht einsam auf einem tiefen Sockel, wie ein Mahnmal. – Das Gepäck: Nur Steine!

Wie eine Sammlung kalter Herzen. -"Übergepäck"

So denkt man vielleicht. Sheila Furlan möchte dem Betrachter offen halten wie er die Arbeit interpretieren mag. „Kalte Herzen“ ist eine Eigendeutung, vielleicht, weil man eine Erinnerung an ein Märchen von Hauff in sich trägt. „Das kalte Herz“. Die Steine im Seidenkoffer aber sind vielleicht nur ein Sinnbild. Für Gewicht. - Zu viel Gewicht führt zu Übergepäck!

Sheila Furlan erklärt, es sind Isarsteine, die durch die Seide des transparenten Koffers sichtbar sind. Der Koffer steht am Ende der Halle und ist wie ein Symbol für die Lebenslast einer Gesellschaft, die sich den Dingen und dem Konsum verschrieben hat. Eine sesshafte Gesellschaft die ihr Glück in der ewigen Flucht im Reisen sucht. Eine Flucht vor der, vielleicht aber auch in die unerträglichen Leichtigkeit des Seins. Die Flucht vor einer Existenz, in der das menschliche Miteinander von Misstrauen und Feindbildern bestimmt ist, von Grenzen in den Köpfen, und Mauern, die sich einfach nicht abbauen oder einreißen lassen, in der Menschen keine gemeinsame Sprache finden und in der die Geschlechter sich gegenseitig zum Spielzeug erklärt haben. Ein soziales Miteinander rückt in immer weitere Ferne. So scheint es, wenn man die Nachrichten in den Medien interpretiert. Worte in den unterschiedlichsten Sprachen werden nicht mehr verstanden, Alphabete werden gemischt, der Clash of Cultures führt zu absurden Missverständnissen und man flieht manchmal in eine, manchmal vor einer digitalen Existenz, in der Hoffnung in einer erweiterten Realität anzukommen, die einen höheren Sinn ergibt. Eine Zeit, in der Bits und Bites, digitale Impulse und smart solutions alles durchwirken, das Organische durchdrungen ist von Fremdstoffen und Umwelteinflüssen, die nicht immer organischen Ursprungs sind, eine Zeit der wachsenden Hoffnungslosigkeit. Wie ein Gepäckscan eines Koffers steht er einsam auf seinem Sockel, der transparente Koffer mit dem Übergepäck. Die Steine, Symbol für das VIEL. Das MEHR. Die DINGE.

Die Steine, Wackersteine aus der Isar, erzählen vom Ursprung der Dinge. Chemische Atome, Elementarteilchen, zu Clustern unterschiedlichster chemischer Zusammenstellung geballt, je nach Rahmenbedingungen, physikalischen Parametern, wie unter anderem Temperatur und Druck, gewachsen verformt, abgetragen, abgelagert, im Fluss gerundet und geschliffen,… alles kann in ihnen sein, was man braucht, und gleichzeitig nichts, was man wertschätzt, es sein denn, man weiß sie zu nutzen. - Die Steine. "Übergepäck" - man liest vom Formen der Erinnerung. Von der Erkenntnis, dass das einzig Konstante im Leben die Veränderung ist. Verändert sich auch die Erinnerung?

An der Wand neben dem Koffer ein Körper voller, wie es auf den ersten Anblick wirkt, Riesen-Pocken stilisiert aus Seidenstrümpfen, zu Ballons geschnürt, wie Brüste. Seide, (Künstlerin: Patricia Lincke) Synthetisches Gewebe, wie Seide, wie Haut, die Gewebe umschließt. Erinnerung eingeschlossen. Haut vergisst nicht. Das Reisen in die Sonne, wo man der Haut den Brand zumutet. Auf der gegenüberliegenden Wand das Geheimnis der Kulturen, die in der brennenden Sonnenglut zu leben gelernt haben. Sich durch Verhüllung zu schützen gelernt haben, ohne dass das Leben dabei auf der Strecke bleiben soll. Ballettszenen von Aidial Abu-Chamat, mit dem Titel "Dreaming of...", sollen vielleicht für das eigene Körpergefühl stehen, wobei die Hüllen die Körper verdecken, ohne die Bewegung zu verheimlichen.

Vielleicht sollte man nicht in Worte fassen, was man sieht, vielleicht sollte man auf Interpretation verzichten, vielleicht sollte man sich einfach nur die Frage stellen, warum die Kunst bemüht wird, um auszudrücken, wofür man keine Sprache findet, aber was die gewählte Kleidung betrifft, werden die Gedanken in Rückschlüsse auf erlernte Informationen gedrängt. Rückschlüsse auf Kulturkreise und den Wert ihrer (Be-)Kleidung werden vielleicht gezogen. - Beabsichtigt? – Man liest in einem Ausstellungskatalog einer Ausstellung vom 26.11. - 12.12.2021 in Sonthofen, "Starke Frauen", über Adidal Abu-Chamats Fotoserie, dass sie anlässlich eines Berichts über ein Ballettstudio in Riad, Saudi-Arabien, entstand. Die Frage über allem: Dürfen Tänzerinnen öffentlich auftreten=? Und wenn ja, in welchem Outfit? -Kleider machen Leute! Und auf dem Sockel vor allem Sheila Furlans „Übergepäck“. - Steine!

Sheila Furlan stellte für das GEDOK München ebenfalls in Sonthofen 2021 für „Starke Frauen“ aus und ihr Werk wird mit Rückhalt gestützt durch vier aus Seidenpapier getragenen anthrazitgrauen Büsten von Dörthe Bäumer, die den Titel tragen „Die Sprache des Windes“.

Der Wind hat viel zu erzählen und könnte man das leise Säuseln bis hin zum sturmstarken Toben verstehen, würde man aus den Geschichten dieser Welt vielleicht lernen können, wie EINE Welt funktionieren kann. Es bleibt ein schwieriges Unterfangen und ein steiniger Weg aber solange die Steine auf der Seele lasten, und das Glück in der Ferne gesucht wird, wird das „Übergepäck“ die Menschen vom „Flow“ fernhalten.

Unter „Flow“ verstehen vielleicht nicht alle dasselbe und vielleicht ist der Begriff auch nicht immer im richtigen Kontext verwendet. Bei Sheila Furlan glaubt man aber zu erkennen, zu welchen Ideen er inspirieren kann.

Die transparenten Hüllen, in die Sheila Furlan Mensch wie Material einnäht können schützen. Selbst wenn sie fast unsichtbar erscheinen. Wie eine zweite Haut legen sie sich um die Objekte, mit mal mehr oder weniger Luft zwischen Haut und Objekt. Offensichtlich inspiriert durch natürliche Gewebe, wie das Gespinst von Seidenraupen findet man eine Verbindung zur Natur, für die man die Faszination vielleicht verloren hat. Die Faszination Seide als nachhaltiges Material kann neu entdeckt werden und man erkennt, wieviel man sich von der Natur abschauen kann.

Transparente Gewebe … nicht nur Textil. Bei der Künstlerin darf man auf Entdeckungsreise gehen und über die Hüllen hinaus noch so viel mehr entdecken.

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